12.11.2024 – Gerd Demitz

Verlust, Krieg und Versöhnung

Bewegende Begegnung in Seevetal

Foto: © Gemeinde Seevetal
Marg Liessens (li.) erhält die Knöpfe von Bürgermeisterin Emily Weede. Foto: © Gemeinde Seevetal

Hittfeld – Kanadierin erhält Erinnerung an ihren im Krieg gefallenen Vater. Marg Liessens wird im Dezember 80 Jahre alt. Die inzwischen betagte Dame hat ihren Vater nie kennengelernt. Sie war gerade erst geboren, da starb er im Zweiten Weltkrieg in einem über Hittfeld abgeschossenen Bomber. Die Geschichte von Marg Liessens ist eng mit der Gemeinde Seevetal verwoben – sie handelt von Verlust, Krieg und Versöhnung.

Marg Liessens ist gerade mal dreieinhalb Monate alt, da muss ihr Vater an Bord eines kanadischen Lancaster-Bombers gegen Nazi-Deutschland kämpfen. Albert Dorey, so sein Name, ist Funker und hat gemeinsam mit sechs weiteren Besatzungsmitgliedern und Dutzenden anderen Bombern den Auftrag, die Werftanlagen von Blohm + Voss in Hamburg zu bombardieren. Er wird seine Tochter nicht mehr wiedersehen, denn im Raum Hittfeld greifen deutsche Düsenjäger den Bomberverband an. Albert Dorey stirbt am 31. März 1945.

„Das Flugzeug zerschellte dort, wo heute die Hittfelder Aral-Tankstelle liegt“, berichtete 2009 der Seevetaler Gemeindearchivar Sören Sahling. Er machte sich auf die Suche nach Zeitzeugen und kontaktierte als erster die Tochter des kanadischen Funkers. Marg Liessens reiste daraufhin nach Seevetal, um den Ort zu besuchen, an dem ihr Vater starb.

Seitdem hat sich eine enge Verbindung zu Seevetal entwickelt. Auch zu Bürgermeisterin Emily Weede und ihrem Mann Carsten Weede hält Marg Liessens freundschaftlichen Kontakt. Der vorletzte Besuch von Marge Liessens war 2019 vor der Corona Pandemie. Als sie in diesem Jahr, 2024, nach Seevetal kommt, ahnt sie nicht, dass sie ein ganz besonderes Geschenk erhalten soll, ein Fundstück aus dem Flugzeug, in dem ihr Vater gesessen hat. „Es handelt sich um Schalter, die der Bordfunker vermutlich selbst noch bedient hat“, so Carsten Weede. „Bis vor Kurzem hatten wir keine Ahnung, dass noch Teile aus dem Lancaster-Bomber zu finden sein könnten.“

Vor 79 Jahren hatte ein Jugendlicher aus Hittfeld diese Schalter aus dem Flugzeugwrack mitgenommen und zum Bau eines Radios genutzt. Der heute 93-jährige Zeitzeuge übergab sie dem Archäologen Ole Uecker und so landeten sie schließlich bei Familie Weede. „Es war ein sehr emotionaler Moment, als wir Marg die Schalter überreichen konnten“, so Emily Weede. „Diese persönlichen Gegenstände verbinden die Familie Liessens auf ganz besondere Weise mit dem Ort, an dem Albert Dorey sein Leben lassen musste.“

Die Geschichte der Familie Liessens zeigt die anhaltenden Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs und die Bedeutung des Gedenkens. „Am Volkstrauertag gedenken wir aller Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft“, so Carsten Weede. „Wir sind dankbar, einen kleinen Beitrag zur Aufarbeitung der Vergangenheit und zur Versöhnung leisten zu können“, ergänzt Emily Weede.

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